In Gedenken an Nicolas Trifon – „Dissident“ und Anarchist aus Rumänien

In der Nacht des 18. August 2023 verstarb in Paris unser Genosse Nicolas Trifon. 1949 in Bukarest geboren und aufgewachsen im totalitären System des rumänischen Staatskapitalismus unter dem Präsidenten Ceausescu, entwickelte er schon früh ein Interesse an emanzipatorischen Bewegungen. Durch das Studium historischer sozialistischer Schriften und eigene Erfahrungen im „sozialistischen System“ entdeckte er den Anarchismus für sich. Mitte der 1970er Jahre musste er Rumänien verlassen und fand in Paris ein neues Zuhause. Hier wirkte er in anarchistischen Exilgruppen wie jener um die Zeitschrift „Iztok“ (Ost).

Er unterstüztzte die Arbeiter:innenbewegungen und selbstorganisierten Gewerkschaften in Osteuropa und beteiligte sich an öffentlichen Veranstaltungen für diese in Westeuropa, um auf ihren Kampf gegen die totalitären Systeme sowie über die Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter durch die „kommunistischen“ Staaten und Funktionärskasten aufzuklären. So 1978 in Paris, wo Vertreter unabhängiger Gewerkschaften aus Rumänien, Polen und der Sowjetunion vor Aktiven französischer Gewerkschaften berichteten und große Medienresonanz erzielten.

Die Unterdrückung in den „realsozialistischen“ Systemen wurde von einem Großteil der Linken und radikalen Linken jener Zeit ignoriert oder schöngeredet, bzw. von zahlreichen kommunistischen Parteien und Organisationen gerechtfertigt oder geleugnet.

Als sich in den späten 2000er Jahren eine neu entstehende anarchistische Bewegung in Rumänien verfestigte und neue Strukturen schuf, kamen Aktive in Kontakt mit Nicolas. Seit dieser Zeit bestand eine ununterbrochene Verbindung. Der jüngeren Generation konnten viele Erfahrungen aus eigenem Erleben weitergegeben werden. Nicolas stand in engem Kontakt und Austausch mit Genossen aus Bukarest und dem Anarhiva, welches anarchistische Veröffentlichungen aus Rumänien archiviert, Geschichte aufbereitet und der Öffentlichkeit zugänglich macht. Mit Herzblut unterstützte er die Bewegung in Rumänien. Aufgrund seiner Erkrankung konnte Nicolas leider nicht mehr an der Anarchistischen Buchmesse des Balkans im Juli in Ljublijana teilnehmen. In einer kurzen ersten Mitteilung schreibt das Anarhiva, dass ihnen „seine Großzügigkeit, Wärme und sein klarer Geist“ in Erinnerung bleiben werden.

Mehr zu seiner Person und politischen Arbeit findet sich in dem 2012 mit dem Genossen Mihai Codreanu in Bukarest geführten Interview, das hier online zu lesen ist:
„Als ob diese Initiativen und Aktionen in Bukarest stattfinden würden“

2020 publizierte der Verlag Pagini Libere ein lesenswertes Buch mit Interviews und Gesprächen mit ihm: Nicolas Trifon – un parcurs libertar internaționalist. Informationen dazu finden sich hier: https://revistabuna.wordpress.com/2022/06/02/nicolas-trifon/

Nicolas Trifon blieb bis zum Ende seinen anarchistischen Überzeugungen treu. Er ist einer der Aufrechten, die unter großen Gefahren ihre Stimmen gegen die totalitären Systeme und Machthaber erhoben und an deren Überwindung arbeiteten.

Wir wollen an ihn erinnern und den Kampf weiterführen für die individuelle Freiheit und gesellschaftliche Solidarität in einer herrschaftslosen Gesellschaft.

Martin Veith
Institut für Syndikalismusforschung

Dieser Beitrag wurde unter Anarchismus, Biographie, Rumänien, Sozialismus abgelegt und mit , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar