Vor 100 Jahren: Solidarität mit Juan Bautista Acher

April 1924 – Dokumente aus dem Syfo-Archiv

Vor einem neuen Justizmord in Spanien.

Der proletarische Künstler Juan Bautista Acher zum Tode verurteilt.

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Die spanische Militärdiktatur bereitet einen neuen Mord vor, wie durch das Sekretariat der IAA bereits mitgeteilt worden ist. Das Gerichtsverfahren und der Gerichtshof, die das Todesurteil vorbereiteten und aussprachen, waren nichts als eine Komödie, denn es handelte sich ja um einen jungen Anarchisten, der sich bei den Herrschenden verhaßt gemacht hat durch den beißenden Hohn, womit er sie durch seinen Zeichenstift überschüttete.

Juan Bautista Acher ist ein armes Proletarierkind mit genialer Künstlerbegabung. Er zog bald die Aufmerksamkeit des ganzen Landes auf sich und wurde als Spaniens bedeutendster Zeichner betrachtet. Da sich seine Kunst aber gegen die herrschenden Mächte richtete, die er in seinen Zeichnungen in satyrischen Darstellungen der Lächerlichkeit preisgab, so richtete sich ihr Haß gegen ihn. Er tötete mit der Waffe der Lächerlichkeit. Seine Opfer wurden rasend und schnaubten nach Rache. Acher stellte seine Fähigkeiten voll und ganz in den Dienst des revolutionären Proletariats. Seine Zeichnungen sprachen oft mehr als die Zungen der Agitatoren. Zuletzt wurde seine Tätigkeit aber auch für ihn selbst gefährlich, denn sie brachte ihm ein Todesurteil ein, das allem Anschein nach bald vollzogen werden wird.

Acher wurde verurteilt als Teilnehmer an einem Attentate, es besteht aber kein Zweifel, dass das Urteil dem Zeichner Acher gilt, den man loswerden will.

Das Attentat, für welches Acher verurteilt wurde, wurde im Jahre 1921 verübt. Es war um die Zeit, als die beiden Generäle Anido und Arlegues in Katalonien hausten. Diese beiden Bluthunde erstickten den Freiheitskampf des Proletariats von Barcelona im Blute. Mit unbeschränkten Vollmachten ausgerüstet, verübten sie im Jahre 1920-1921 Mord auf Mord. Alle aktiven Elemente in der syndikalistischen Bewegung wurden, wenn man sie nicht direkt auf der Straße ermorden konnte, eingekerkert. Die Proletarier wurden von der Polizei mit vorgestrecktem Revolver durch die Stadt gejagt, in ihren Heimen dem Schimpf ausgesetzt, in den Gefängnissen gepeinigt und auf alle erdenkliche Weise mißhandelt.

Nachdem das Proletariat auf diese Weise drangsaliert und unterdrückt war, feierte die Reaktion ihren „Sieg“ durch ein großes Fest in Barcelona. Dieses Fest wurde zur Ehre Spaniens Faschisten, zur Ehre für die Mörder des Proletariats veranstaltet. Während der Festlichkeiten am 21. April 1921 explodierte ein Automobil. Der Kraftwagen wurde in Stücke gesprengt, sonst aber kein Mensch beschädigt. Die beiden Insassen kamen wie durch ein Wunder davon, ohne dass man jemals erfuhr, wer sie gewesen sind. Erst später erfuhr man, dass der Kraftwagen auf einem Platze außerhalb Barcelonas gemietet worden war. Der Führer wurde von den Insassen überfallen und vorübergehend bewußtlos gemacht, während die Fahrgäste mit dem Wagen zur Stadt fuhren. Dieser Wagen war es, der in die Luft gesprengt wurde. Es spricht also alles für eine Provokation.

Am 2. Mai 1921 erfolgte in einem Privathaus in der Toledostraße zu Barcelona eine Explosion. Die Katastrophe kostete 5 Menschenleben sowie einen Teil Verwundeter. Unter den letzteren befand sich ein junger Mann, der sich zufällig im Hause befand, um von der Wäscherin seine Wäsche zu holen. Dieser junge Mann war Acher. Er wurde, schwer verwundet, ins Krankenhaus gebracht.

Einige Tage vorher verhaftete die Polizei einen Freund Achers, namens Elias Saturni[n]o. Durch unerhörte Martern, die an die Zeit der Inquisition erinnern, erzwang die Polizei von ihm ein Geständnis, dass er sich der Explosion des Automobils während des Faschistenfestes schuldig bekannte. Als er vor das Gericht trat, erzählte er, auf welche Art die Polizei ihm das Geständnis abgezwungen hatte, das er nun zurücknahm. Der Gerichtshof untersuchte den Fall und mußte Saturni[n]o freigeben. Der Polizei wurde jedoch kein Haar gekrümmt.

Einige Tage später wurden Barcelonas Arbeiterviertel von faschistischen Banden, unterstützt von der regulären Polizei, durchstreift, sie drangen in eine Reihe Arbeiterheime ein, um einen gewissen El Mula zu suchen. Diese Banden hausten wie die Vandalen, sie warfen den Hausrat auf die Straße, zerstörten, was ihnen in die Hände kam und nahmen mehrere Verhaftungen vor, darunter der Vater und der Bruder von El Mula. Der erstere, über die 50 hinaus und niemals an der Arbeiterbewegung teilgenommen, wurde von der Polizei mißhandelt und gemartert, um ihn zu zwingen, den Aufenthalt seines Sohnes zu verraten. In diesem Zusammenhange wurden weitere 21 Personen, vollständig unschuldig, verhaftet.

Einige Tage später drang die Polizei in das Krankenhaus zu Acher ein und legte ihm ein Dokument zur Unterschrift vor, nach welchem er sich an dem Attentat beim Faschistenfest und an dem Überfall an dem Kraftwagenführer schuldig erklären sollte. Bei einer Gegenüberstellung erklärte der Kraftwagenführer, dass Acher nicht identisch sei mit einer jener Personen, die ihn überfallen hatten.

Acher wurde dennoch vor ein Geschworenengericht gestellt, das ausschließlich aus Faschisten bestand. Dieses Gericht fällte über ihn das Urteil. Gegen das Urteil wurde viermal Berufung eingelegt. Der Staatsanwalt beantragte 12 Jahre Gefängnis für das „Attentat, das kein Opfer forderte“, 30 Jahre für Herstellung von Explosionsstoffen und weitere 30 Jahre für eine weitere Herstellung von Explosivstoffen. Später wurden alle Strafen zurückgenommen und in Todesstrafe umgewandelt. Der junge Acher, der den Herrschenden mit seiner Kunst so sehr an die Nieren ging, sollte aus dem Leben befördert werden!

Das Todesurteil gegen Acher, den man auch den Poeten nennt, kann zu jeder Zeit vollstreckt werden.

Schon hat sich aber eine mächtige Bewegung gegen die Vollstreckung des Todesurteils gebildet. An der Spitze steht die freiheitlich revolutionäre Arbeiterbewegung Frankreichs. Auch die Liga für Menschenrechte in Frankreich schloß sich der Protestbewegung an. Das Comité de defense sociale hat mächtige Demonstrationen vor der spanischen Botschaft in Paris angezeigt.

Mögen auch in Deutschland die revolutionären Arbeiter ihre Stimme erheben und durch Protestbewegungen in Versammlungen und auf Demonstrationen die Befreiung Achers fordern.

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Protestresolution.

An das Spanische Konsulat zu Berlin.

Die am 12. und 13. April in Wattenscheid zu einem Jugendtreffen versammelte gesamte Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Rheinland-Westfalens ist empört über das unmenschliche Verhalten der spanischen Justiz. Nachdem unsere Kameraden Nikolau und Mateu ohne Beweise zu Tode verurteilt wurden, versucht sie nun abermals Justizmorde zu begehen, indem sie unsern Kameraden Juan Bautista Acher (alias el Poeta) zum Tode verurteilte, trotzdem ihm die zur Last gelegte Tat in keiner Weise nachgewiesen wurde. Wir jungen Menschen empfinden einen Abscheu vor den Justizverbrechen und Machenschaften der Reaktion dem spanischen Proletariat gegenüber, was auf keinen Fall als von Menschen ausgeführt zu betrachten ist. Einmütig verlangen wir die sofortige Befreiung Achers. Nikolaus und Mateus, sowie aller wegen ihrer Gesinnung eingekerkerten Menschen.

Wattenscheid, den 13. April 1924.

Für die Syndikalistisch-Anarchistische Jugend.

Aus: Der Syndikalist, Nr. 18/1924.

[Das Ende der Diktatur Primo de Riveras rettete sein Leben. Er – mit bürgerlichem Namen Alfons Vila Franquesa, Künstlername „Shum“ – nahm an der Spanischen Revolution teil, floh 1939 nach Frankreich und starb 1967 mit 70 Jahren in Mexiko.]

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