Januar 2023 – Dokumente aus dem Syfo-Archiv
„Die syndikalistische Internationale
Das neue Jahr hat uns Syndikalisten eine syndikalistische Internationale gebracht. Diese neue Internationale ist eine Wiederauferstehung der ersten Internationalen Arbeiter-Assoziation. Daran wird man schon durch den Namen der neuen Internatonale erinnert, die ebenso wie die erste Internationale den Namen trägt:
Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA)
Die Gründung dieser Internationale ist das Werk der Syndikalisten aller Länder. Während der Weihnachtsfeiertage kamen in Berlin die Vertreter der syndikalistischen Bewegung der alten und neuen Welt zusammen. Obzwar die meisten Länder ein gebundenes Mandat vertraten, eine syndikalistische Internationale zu begründen, sah der Kongreß durch einen Aufruf der Roten Gewerkschafts-Internationale sich veranlasst, die Stellung des Syndikalismus zu dieser Körperschaft ein für allemal zu klären. Das Ergebnis war, dass trotz Streichung des Paragraphen 11 aus den Statuten der RGI die organische Verbindung zwischen der Roten Gewerkschafts- und der kommunistischen Internationale bestehen bleibt und die letztere nach wie vor die Oberherrschaft über erstere ausübt. Da dies aus den Erklärungen der Vertreter der RGI eindeutig hervorgeht, stellten die anwesenden Delegationen, mit Ausnahme der Holländer, sich auf den Standpunkt, dass die klarste Antwort auf den Appell der RGI die Errichtung einer syndikalistischen Internationale sei.
Diese Internationale tritt mit dem neuen Jahr in Tätigkeit. Ihre Aufgaben sind gewaltig. Sie hat den Kampf gegen Kapitalismus und Staat auf der einen Seite und eine energische Aufklärungsarbeit gegen die Vorurteile der reformistischen und radikalen Staats- und autoritären Sozialisten auf der anderen Seite zu führen. Moskau und Amsterdam führen keinen Kampf gegen den Staat, sie wollen ein Herrschaftssystem beseitigen, um ein anderes an dessen Stelle zu setzen. In ihrer autoritären Weltanschauung sind sie einig. In nicht allzu langer Zeit werden die jetzt Getrennten sicher zusammengehen. Der neuen Internationalen Arbeiter-Assoziation fällt hingegen die Aufgabe zu, das Werk der ersten Internationale, deren Ziele in der Prinzipienerklärung von St. Imier so wunderbar zum Ausdruck kommen, weiter zu führen zum endgültigen Sturz von Staat und Lohnherrschaft, zur Errichtung einer freien, staatenlosen Gesellschaft.
Jedes einzelne Mitglied der FAUD muß sich bewusst sein, daß es nun ein Teil jener großen Familie von Brüdern und Schwestern ist, die sich über die ganze Welt verbreitet. Unsere Genossen müssen in ihrem Kampfe durch dies Bewusstsein gestärkt werden. Sie kämpfen nicht allein, sondern in allen Ländern finden sich gleichgesinnte Brüder, die mit ihnen dasselbe Ziel erstreben. Wir richten an unsere Genossen die Aufforderung, sich ihren Kampfesgefährten in Italien und Portugal, im hohen Norden Europas, den Kohlengruben Spitzbergens und weit im Süden Amerikas würdig zu erweisen, so dass bei der nächsten internationalen Heeresschau des Syndikalismus der ganzen Welt auch wir in Deutschland auf vollbrachte Taten hinweisen können. Wir wünschen unseren Genossen am Eingang des neuen Jahres und am Anbruch einer neuen Zeit des Kampfes der eben erstandenen Internationale vor allem andern Initiative, d.h. Tatkraft.“
Aus: Der Syndikalist, Nr. 1/1923.