Zum Thema „Anarcho-Syndikalismus“ als Einheit von Forschung und Bewegung“ stellte Helge Döhring vom Institut für Syndikalismusforschung am 30. März 2019 vor knapp 20 Zuhörerinnen und Zuhörern verschiedene Aspekte der Forschungsarbeit vor. Auf Einladung der FAU-Bielefeld kamen in deren Gewerkschaftslokal einige Ideen von Basisaktivitäten auf, wie historische Forschungen für die aktuelle Bewegung nützlich sein können.
Ob es das Intervenieren an bedeutenden Jahrestagen ist, lokale Gedenkaktivitäten oder die Ausarbeitungen von Zukunftsperspektiven; die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Bewegung kann enorm hilfreich sein. Das Etablieren eigener anarcho-syndikalistischer Wertmaßstäbe, perspektivisches Denken und Handeln und die selbständige Aneignung (klassischer) Bildung sind die Voraussetzungen für eine ernstzunehmende anarcho-syndikalistische Gewerkschafts- und Kulturbewegung.
Für die praktische Idee eines libertären historischen Stadtführers für Bielefeld lägen leider nur wenige syndikalistische Zeugnisse zugrunde, so die Anwesenden, dafür erläuterte der Referent die Möglichkeiten einer aktuellen praktischen Bewegung. Von Bedeutung seien beispielsweise der Erwerbslosensektor und die stets wachsenden, neuen und prekären Arbeitsbereiche. Dort können sich Kämpfe entfalten, da sich noch keine DGB-Gewerkschaften als Konkurrenz etabliert haben. Wo solche bestehen, so zeigt die Geschichte auf, hat der Anarcho-Syndikalismus keine Chance mehr. Der Referent legte dar, welcher perfiden Mittel sich diese Zentralgewerkschaften sich gegen syndikalistische Kollegen bedienten. Dies sei ein Hauptfaktor für den Niedergang der FAUD in den frühen 1920er Jahren gewesen. Ein Zuhörer verwies diesbezüglich auf aktuellere Geschehen und erläuterte die üble Rolle der IG-Metall gegenüber der selbstorganisierten und von der FAU unterstützten Belegschaft der Fahrradwerke in Nordhausen 2007.
Zuvor erörterten die Anwesenden die Kulturfrage, und waren der Auffassung, diese sei die wichtigste: Die gewerkschaftliche Interessenorganisation könne zwar kurzzeitig viele Menschen vereinen, aber die gewonnenen Mitglieder bleiben nur, wenn sich auch weltanschaulich einiges festigt. Sonst wandern die Mitglieder zu marxistischen Organisationen ab, weil diese auf dem Gebiet etwas anzubieten haben. Deshalb muß die Gewerkschaftsbewegung um bestimmte anarchistische Klassiker bereichert werden. Döhring verglich dann die FAUD zu Beginn der 1920 er Jahre mit der heutigen FAU in Berlin und betonte, dass eine längerfristige Einbindung durch Bildung der neuen Mitglieder mindestens ein paar Jahre Zeit braucht. Die damalige FAUD hatte diese Zeit nicht in den instabilen Verhältnissen zur Zeit der Weimarer Republik. Die Fragen aus dem Publikum zeugten von viel Wissensdurst, die Veranstaltung verlief sehr interaktiv und die Anwesenden diskutierten dynamisch und selbständig in größeren und kleinen Gruppen weiter. Das entsprach ganz der Rolle des Instituts als Stelle zur Selbstermächtigung, als Partner von gleich zu gleich. Alle können Forschen, unabhängig vom Schulabschluß. Im Institut wird niemand besoldet, es ist unabhängig von Geldern. In diesem Sinne stellte der Referent auch die freie Kooperationen mit Verlagen, Vertrieben, anderen Forschungsbetrieben, Zeitschriften, Aktivisten, Forschern usw. vor. Auf diese Weise werde das Ideal der gegenseitigen Hilfe praktisch umgesetzt, so dass das Finanzwesen kaum eine Rolle spielt. Damit werde der Gefahr von Korruption (von Aktivisten und Forschern) vorgebeugt.
Besucht das FAU-Gewerkschaftslokal in der Metzer Straße 20. Euch erwarten aufgeschlossene und hilfsbereite Menschen sowie eine wahre Fülle gut sortierter libertärer Literatur.