„Aus der Bewegung: Braunsberg i. Ostpr.*
An Zäunen, Mauern, öffentlichen Plätzen kleben die in brennenden Farben gemalten Plakate, und riefen zur Anti-Krieg-Kundgebung. „Krieg dem Kriege!“ Von allen Pfeilern, Wänden, aus Nischen heraus starrten diese Worte, sich fest einprägend, in die Gehirne der Leser. Dazwischen Flugblätter der Freien Jugend. Antimilitaristische Flugschriften wurden verteilt. Oskar Kanehls „Der nächste Krieg“, gesprochen vom Kam. Fritz Fydrich, leitete den Abend ein. Und nun folgten Rezitationen der Weltjugendliga und Freien Jugend, Vorträge des Arbeitergesangvereins und Vorführungen der Freien Turnerschaft. Die Turnaufführungen sollten den Beweis bringen, daß auch ohne Militarismus eine starke Jugend mit gesundem Körper und frisch-frohem Geist herangebildet werden kann. Erich Mühsams „Dies Irae“ als Vorspruch benutzend, sprach Kam. Skrodski über Dokumente der Menschlichkeit, sprach von dem Friedenswillen der anderen Völker, die wir nur als Feinde und Barbaren kennen, sprach von dem anderen Frankreich und von dem anderen Deutschland. Daraufhin hielt ein Genosse sein Referat: „Krieg dem Kriege!“ und führte darin dem Publikum den nächsten Krieg mit all seinen Gift- und Gas-Greueln vor Augen. Wirklich ein noch raffinierter ausgedachtes Menschenschlachthaus, als das 1914 bis 1918. In den Nebenräumen befand sich die Ausstellung sowie der Bücherverkauf der Freien Jugend und Weltjugendliga. Von der Wand herab blickte aus tiefer Nacht das Bild des Krieges: der Totenschädel unter dem mit dem Hakenkreuz geschmückten Stahlhelm. Bilderreihen, in fünf große Felder verteilt – die Schrecken des Krieges – das Feld der Ehre darstellend (sämtlich Originalphotographien) zeigten dem Publikum den Krieg, wie er war. Ein besonderes Feld zeigte Bilder- und Textproben aus dem am Büchertisch erhältlichen Werk: „Krieg dem Kriege!“ von Ernst Friedrich.
Der Büchertisch zeigte große und gute Auswahl: Dostojewski, Leonhard Frank, Tolstoj und andere revolutionär-antimilitaristische Schriftsteller waren vertreten. Besonders bemerkenswert war neben dem Proletarischen Kindergarten das erst kürzlich erschienene Werk „Krieg dem Kriege!“ von Ernst Friedrich. Wenige, aber gut gewählte Worte begleiten die originell zusammengestellten Bilder des Krieges.
Der Schriftsteller führt uns in seinem Werk über das so herrlich besungene Feld der Ehre, zeigt uns das lustige Soldatenleben und den Heldentod fürs Vaterland. Unverhüllte Wahrheit sprechen die Bilder. Das Ganze ein Buch, das den beschauenden Bürger vergessen lässt, seinen Zigarrenstummel ganz aufzurauchen und die Damen veranlaßt, nach ihrem Riechfläschchen zu greifen.
Außer den Büchern liegen einige Blätter proletarischer Kunst, Linoleumschnitte des Arbeitermalers Skrodski, aus.
Wir konnten mit dem Erfolg der Veranstaltung zufrieden sein, war es ja das erste Mal, dass eine antimilitaristische Kundgebung in Braunsberg stattfand. Der Besuch war gut. Nur die Jugendbewegung fehlte. Die beliebte sich an Volkstänzen zu ergötzen. Sturmheil!
Fritz Fydrich
*) Kameraden! Beim Lesen dieses Berichtes denkt daran, dass er aus einem kleinen Agrarstädtchen Ostpreußens kommt aus dem reaktionärsten Winkel Deutschlands, in dem das preußische Junkertum noch im Vollbesitz seiner Macht ist, und wohin gerade nur die bescheidensten Anfänge der Arbeiterbewegung gedrungen sind. Es ist selbstverständlich, dass die Arbeit unserer Kameraden hier mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden ist, und es nicht möglich ist, hier die Propagandatätigkeit einer Industriegegend als Maßstab anzulegen. D. Red.“
Aus: „Freie Jugend“, Nr. 8/1923.
Der Hölle Rachen fauchte Gift und Unrat aus
und ließ die Welt in Urschlamm und in Blut ersaufen,
und Feuerbrand und Eisensplittergraus
schuf aus der Menschheit Stätten öde Trümmerhaufen.
Was Teufelstücke unterm Gottesfluch erdacht,
ward Menschenwerk, ward Würfelgut und Ware,
ward Antrieb, Vorwand, Mittel, Wahn der Macht,
ward Mordgeist, Heldenruhm, Sieg und Fanfare.
Entstellte Krüppel, unbegrabenes Menschenaas.
Wo Wälder, Städte standen, trostloses Gerölle.
Der Weiber Glück und Hoffnung gieriger Krähen Fraß.
Mars Triumphator auf dem blutigen Thron der Hölle ..
Empor, betrogene Menschheit, aus dem schmutzigen Pfuhl!
Der Freiheitswille drängt hervor aus Knechtsgewimmel.
Schon unterm blutigen Baldachine schwankt der Stuhl
der Weltbeherrscher. – Höllengeister, scheut den Himmel! …
Den Himmel! Seine ersten Blitze funkeln schon,
und Himmelsahnen reißt die Welt in Abenteuer.
Freiheit aus Höllenqual! – Empor, Revolution!!
Wer auf zum Himmel will, fürcht‘ nicht das Fegefeuer!